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Erfolgreicher syrischer Umschüler – Eine bessere Zukunft durch machen, tun, ausprobieren!
Sharbel Istiefou (Mitte) hat mit Auszeichnung die Umschulung zum Mechatroniker abgeschlossen. Rechts Antonio Tempera und links Steffen Theinert, zwei seiner Ausbilder.
Sharbel Istiefou (36) ist wie viele seiner Landsleute aufgrund des Krieges aus Syrien geflüchtet. Im Juli 2022 hat er seine Umschulung zum Mechatroniker bei der MYPEGASUS Akademie mit Auszeichnung bestanden. Welche Einstellung hat ihn getragen, so zielgerichtet seinen Weg zu gehen? Was hält er vom beruflichen Bildungssystem in Deutschland und wofür ist er besonders dankbar? Davon erzählt er im Interview.
Die Fluchterfahrung hat Sharbel Istiefou tief geprägt. „Ich wollte Syrien nicht verlassen – mich hat keiner gefragt – der Krieg hat mich aus meiner Heimat vertrieben, der Weg war hart“, sagt er. Er zählt die Etappen über die Balkanroute zügig und emotionslos auf. Sein Weg führte ihn über den Libanon, die Türkei, Griechenland meist zu Fuß, teilweise auch mit dem Zug durch Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich. Er schafft es bis nach Deutschland und kommt bei der Registrierungsstelle in Karlsruhe an. Dort wird er ins Flüchtlingsheim nach Reutlingen geschickt. Das Wiedersehen mit seiner Mutter und den sechs Schwestern (diese sind im nahegelegenen Wendlingen untergebracht) gibt ihm Kraft und neuen Mut.
Sein syrisches Abitur wird ihm in Deutschland mit der Note 1,2 anerkannt, genauso der Bachelor für Erdölengineering (Universität Al-Baath). In diesem Bereich hat er bereits in Syrien gearbeitet. Trotzdem wird es extrem schwer, in Deutschland beruflich Fuß zu fassen. Zunächst muss er sich 1 ½ Jahre gedulden bis er die Aufenthaltsgenehmigung erhält. Er startet direkt mit der Schule. „Sprache und Bildung sind der Schlüssel zur schnellen Integration“, das weiß er. In kürzester Zeit ist er bei C1 Niveau. „Ich kann nicht verstehen, wie einige ewig lang dafür brauchen und den Prozess des Ankommens damit blockieren“, sagt er. Er ist dankbar für die Möglichkeit einer guten Umschulungsmaßnahme und der sehr guten Unterstützung durch Herrn Seewald, seinem Betreuer beim Jobcenter Reutlingen.
Die Umschulung zum Mechatroniker ist eine der komplexesten Umschulungsmaßnahmen. Mechatroniker bauen aus mechanischen und elektronischen Komponenten komplexe mechatronische Systeme, z.B. Roboter für die industrielle Produktion. „Deutschland hat so tolle und moderne Maschinen, die Industrie ist riesig hier und die Ausbildung ist sehr fundiert“ erzählt Sharbel Istiefou begeistert.
„Wenn ich etwas will, dann schaffe ich das – ich habe das im Kopf entschieden“ sagt er. „Deutschland hat ein gutes System, es ist alles sehr geordnet und strukturiert. Wenn man das System versteht und Teil davon wird, dann gelingt die Integration. Mir war klar, dass ich hier deutsche Handwerksfertigkeit lernen muss um gut aufgestellt zu sein. Ich brauche eine deutsche Ausbildung und ein gutes deutsches Zeugnis“, weiß Sharbel Istiefou.
Beim Einstufungstest konnte er wegen der sprachlichen Hürde nicht ausreichend punkten. Nicht weil er die Inhalte nicht begreifen konnte, sondern weil die Sprache ihm im Wege stand, erinnert sich Marin Freudemann, Ausbilder bei der MYPEGASUS Akademie.
„Ich will diese Ausbildung zum Mechatroniker machen – ich will ein deutsches Zeugnis haben und zwar mit Auszeichnung. Geben Sie mir bitte eine Chance. Ich bekomme das hin“, bittet Istiefou. Ausbilder Freudemann, erinnert sich gut an diese erste Begegnung. „Ich bin stolz auf ihn. Er hat bewiesen, dass der Wille entscheidend ist. Er hat dieses Angebot als Chance genutzt. Herr Istiefou war sehr fleißig und ich weiß, dass er nach Feierabend zu Hause weitergelernt hat, weil er ein klares Ziel und Ehrgeiz hatte“, sagt Freudemann. In 28 Monaten hat er nicht einen einzigen Tag gefehlt. Den Abschluss mit Auszeichnung zu bestehen ist bemerkenswert.
„Das Angebot der Qualifizierung in Deutschland ist ein Schatz. Ich habe es genutzt, um mich zu integrieren“, sagt Sharbel Istiefou und ergänzt: „Wenn ich die Chance bekomme, dass mir die ganze Ausbildung finanziert wird dann will ich es komplett und richtig machen“. Dabei kämpft er auch für eine bessere Zukunft. Er ist sich bewusst wie viel von ihm selber abhängt. In der Integration müssen beide Seiten ihren Beitrag leisten. Gelungene Integration lebt vom Entgegenkommen auf der einen Seite und vom Willen und der Motivation auf der anderen Seite. „Eine bessere Zukunft bekommst Du erst durch: machen, tun und ausprobieren nicht durch sitzen, warten und hoffen“, betont Sharbel Istiefou und lächelt voller Energie.
Angesprochen auf Deutschland erzählt er, dass er schon als Kind Fan von Lothar Matthäus war. Er trägt auch heute noch das Trikot der deutschen Nationalmannschaft – auf dem Rücken, die Nr. 10, wie Lothar Matthäus. „Ich spiele gerne Fußball das hilft auch beim Ankommen“.
Seine Mutter ist eine weitere Schlüsselfigur in der Integration – sie gibt ihm viel Kraft, sie motiviert und bestärkt ihn: „Sharbel – Du kannst das schaffen“. Weiter erzählt er, dass seine jüngste Schwester gerade das BWL-Studium in Stuttgart abgeschlossen hat und die andere Schwester mittlerweile fertige Bauingenieurin ist. Die Haltung der Familie ist geprägt von Entschlossenheit und Tatendrang.
Geholfen hat ihm auch die Mechatroniker-Gruppe und die Ausbilder bei der MYPEGASUS Akademie, die stark unterstützt haben. „Meine Klasse war eine große Hilfe – es sind echte Freundschaften entstanden. In der Werkstatt konnte man die gelernte Theorie direkt in der Praxis versuchen. Wir durften schnell an die teuren Maschinen und Verantwortung übernehmen“ sagt er und man merkt ihm die Begeisterung an der Technik an.
Auf die Frage, was er Menschen mit ähnlicher Erfahrung mit auf den Weg geben würde, antwortet er: „Als klar war das es in Syrien keine Zukunft geben wird – musste ich mir hier eine Perspektive erschaffen – egal ob ich es wollte oder nicht. Deutschland ist voller Möglichkeiten – wenn man den Willen hat, kann man hier viel erreichen.“
Wie geht es jetzt weiter? Sharbel Istiefou will jetzt erstmal arbeiten und Geld verdienen. Bei der Firma Wöhrle Stromversorgungssysteme GmbH in Steinenbronn hat er bereits eine Arbeitsstelle gefunden. Er hat noch viel Energie, sagt er – „und wenn ich genug Geld beisammen habe, studiere ich vielleicht weiter und mache den Master“.
Im Juli 2023 feiert die Lehrwerkstatt der MYPEGASUS Akademie das 25 jährige Jubiläum. Auch Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck wird vorbeikommen und ein Grußwort halten. Dann wird Sharbel Istiefou mit seiner „Oud“ (orientalisches Saiteninstrument) ebenfalls dabei sein und Musik machen. Eine weitere Leidenschaft des ambitionierten und talentierten Zuwanderers.
Das Interview führte Helga Fabritius (Leiterin MYPEGASUS Akademie).
Ein besonderer Dank gilt auch der Philipp–Matthäus–Hahn Berufsschule in Balingen.
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